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„Mit Volldampf zersägt“
Kelkheims einzigartige Dampfmaschine
An den „Tagen der Industriekultur“ mit dem diesjährigen Thema „Mit voller Energie“ konnte Kelkheim bei einer Führung am 21.09.2024 auf dem ehemaligen Gelände des Sägewerks Diehl seine einmalige Dampfmaschine vorstellen. Sie ist deshalb einmalig, weil es sich um ein Unikat handelt.
Bevor die zahlreichen Teilnehmer, Jung- und Alt, in die Mysterien der Funktion der Dampfmaschine eingeweiht wurden, ging Museumspädagogin Dr. Kirstin Funke auf die Gründung des Sägewerkes durch einen cleveren Mann aus Bad Soden, Franz Diehl, im Jahr 1882 ein sowie auf die folgenden schwer arbeitenden Generationen Vincenz Diehl sowie Horst und Friedel Diehl.
Höhen und Tiefen durch Kriege, Wirtschaftskrisen, Auswirkungen durch Änderung des Marktes oder Spekulationen auf die Werksgeschichte, die bis 1995 andauerte, wurden unterlegt mit überlieferten Anekdoten – jeweils eingefasst in die Möbelgeschichte Kelkheims.
Auch die Frauen der ersten Generation blieben nicht unerwähnt, denn diese mussten die dort lebenden Angestellten verköstigen, deren Wäsche waschen, sich um Haus, Garten und Getier sowie um die Kinder – in der zweiten Generation waren es zehn – kümmern.
Erklärt und anhand vieler Bilder gezeigt wurden die Gebäude des Sägewerkes über große Hallen bis hin zum Kran, die Loren, ein Tauchbecken zum Imprägnieren sowie die horizontalen und die vertikalen Sägegatter.
Thema war auch die Arbeitsweise vom Transport der Bäume aus dem Taunus, erst mit Pferd und später mit Traktoren und Eisenbahn, bis hin zum Sägen der Stämme. Das alles konnte auf Bildern bestaunt werden.
Das Kernstück der Führung war natürlich die Dampfmaschine. Sie wurde 1890 von den Gebrüdern Schmalz aus Offenbach als eine von zwei Maschinen gebaut. Seit 1905 steht sie vor Ort. Sie ist mit einer seltenen Collmann-Steuerung (benannt nach dem österreichischen Erfinder Alfred Collmann und seiner Erfindung aus dem Jahr 1876 und 1877) sowie mit einem, zusätzlich Kraft generierendem Kondensator a la James Watt (Patent 1769) ausgestattet. Somit erbrachte die tonnenschwere Maschine laut Überlieferung von Horst Diehl eine Leistung von 130 bis 140 PS.
Mit einem Schwungrad von drei Metern Durchmesser sowie mit Transmissionsriemen wurden die Sägegatter angetrieben. Die Energie kam aus einem haushohen Kessel, welcher nebenan stand und nahezu ununterbrochen in Betrieb war. Der dazugehörige 40 Meter hohe Schornstein, war damals weithin sichtbar.
Kaputt war die Maschine fast nie. Zum Stillstand kam es nur, wenn ein „Schlingel den Dampf abdrehte“. So lief denn auch die Dampfmaschine 115 Jahre lang bis 1975. Erst dann wurde sie durch Generatoren ersetzt. Ein schlauer Mann (Diplomingenieur G. Stempel) errechnete eine „Arbeitsleistung von 23,8 Mio PS-Stunden oder 17,5 Mio Kilowattstunden“ ( aus Zeitungsartikel Kelkheim, S. 5, Datum unbekannt, Artikel bei Familie Zadran Kelkheim )
In einem dem Museum vom hessischen Rundfunk zur Verfügung gestellten Film kann die Maschine in Aktion und auch noch der Ofen in Betrieb gesehen werden. (Der Film befindet sich im Museum und ist dort in unserem Digitalarchiv für Besucher abrufbar.)
Leider kann die Maschine heute nicht mehr befeuert werden, denn der Kessel mit dem Heizraum und dem Schlot ist fort. Sie steht still. Gut geölt wie sie ist, würde sie aber sicherlich noch funktionieren.
Text: Kirstin Funke
Fotos: Ari Funke und Frank Weiner
Samstag, 21. September 2024 15:00 Uhr