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Historische Führung mit dem Stadtarchivar auf dem Rettershof
Das Erntedankfest am Rettershof gab den Rahmen für die Kurzführung von Julian Wirth mit dem Titel „Frauenkloster, Schwarzer Tod und Revolution“. Es war seine erste Führung auf dem Rettershof. Die Besucherinnen und Besucher waren zahlreich, war doch auch das Erntedankfest gut besucht. Unter anderem zählten der Erste Stadtrat Dirk Hofmann und seine Frau zu den Gästen.

Wer heute unter der alten Linde vor dem Hofgut Rettershof steht, ahnt kaum, dass hier einst ein Ort geistlichen Lebens, harter Regeln und großer Umbrüche lag. Das 12. Jahrhundert war eine Zeit der Extreme: Kreuzzüge, Rivalität zwischen Papst und Kaiser, die Gründung neuer Orden – und mittendrin ein Mann namens Norbert von Xanten.

Ein Adliger, der stürzte – buchstäblich – vom hohen Ross, göttliche Eingebung empfing und 1121 den Orden der Prämonstratenser gründete. Weiß gekleidet wie Engel, mit einer Vorliebe für Esel, wollten Norbert und seine Gefährten nach den Regeln des heiligen Augustinus leben: Gehorsam, Armut, Keuschheit.

Auch in Retters – damals ein stiller Ort zwischen Wald und Wasser – entstand bald ein Prämonstratenser-Doppelkloster. Zuerst für Männer und Frauen, später ausschließlich für Schwestern aus dem Niederadel der Region. Sie lebten abgeschieden, beteten, arbeiteten und betrieben Landwirtschaft.
Bis zu fünfzig Frauen lebten zeitweise hier – mit Refektorium, Dormitorium, Karpfenteichen und Wein.

Dann kam das 14. Jahrhundert – und mit ihm der Schwarze Tod.

Julian Wirth zeigte den "Triumph des Todes", ein Bild, das der flämische Maler Pieter Bruegel um 1562 malte.
Was 1346 auf der Krim begann, überzog ganz Europa. Die Pest raffte Millionen dahin, auch Klöster blieben nicht verschont. Zeitzeugen berichteten von Leichenzügen, von Straßen voller Toter, von einem Kontinent am Abgrund. Besitz wurde verkauft, Privilegien schwanden – der Niedergang des Klosters begann.
Ein letzter Aufschwung folgte noch, doch dann naht der nächste Sturm: die Reformation. Martin Luther stellte die Kirche auf den Kopf, auch im Taunus wackelten die alten Fundamente. 1559 starb Anna von Riedesel, die letzte Meisterin des Konvents, „in fide catholica“ – im katholischen Glauben. Drei Schwestern blieben zurück. Mit ihnen verschwand das Kloster endgültig.
Was bleibt, sind Spuren: Reste des Friedhofs, Mauerfragmente, ein Tonnengewölbe – und Erzählungen im Rahmen von Führungen.

Die Gäste applaudierten, die Erzählung war beendet. - Und Erster Stadtrat Dirk Hofmann bedankte sich für den kurzweiligen Vortrag von Archivar Julian Wirth.
Text: Julian Wirth
Fotos: Jürgen Moog
Sonntag, 12. Oktober 2025 13:15 Uhr




